Brandanschlag auf Hühnermastanlage in Sprötze
Selten sind die Wogen nach einer größeren direkten Aktion so hoch geschlagen, wie nach dem Brandanschlag auf eine fast fertiggestellte Hühnermastanlage in Sprötze (Buchholz in der Nordheide) in der Nacht vom 29.07. auf den 30.07.2010. Die 1600 Quadratmeter große Anlage wurde dabei vollständig zerstört, der Schaden beträgt laut dem (ehemaligen) Betreiber, Gerhard Eickhoff, 500.000 Euro.
Er wisse nicht, ob er wieder eine Anlage bauen werde.1 Erstens bestünde dann wieder die Gefahr eines Anschlags und zweitens wisse er noch nicht, ob die Versicherung von dem Schaden überhaupt etwas bezahle. Laut Pressemeldung der Polizeiinspektion Harburg hätten Verkehrsteilnehmer gegen 04:30 Uhr hellen Feuerschein in dem betroffenen Gebiet bemerkt. Nach Alarmierung der Feuerwehr seien rund 90 Feuerwehrleute aus den umliegenden Ortschaften zur Brandbekämpfung im Einsatz gewesen. Das gesamte Dach der Anlage sei aufgrund der Hitzeentwicklung eingestürzt, die Nachlöscharbeiten hätten sich über mehrere Stunden hingezogen. Die Ermittlungen ergaben, dass an mehreren Stellen Brandbeschleuniger benutzt wurden. Auf Nachfrage gab die Pressestelle der Polizei zudem bekannt, es seien mehrere gasbetriebene Hubgeräte im Inneren der Anlage, die dort zum Einsatz kommen sollten, durch das Feuer explodiert.
Hühnermast
In der Hühnermastanlage sollten in Kürze rund 37.000 Tiere quälerisch auf engstem Raum eingesperrt und schließlich nach etwa fünf Wochen Lebenszeit in den Tod geschickt werden. Zu diesem Zeitpunkt kann ihr Körper das angefressene Gewicht kaum noch tragen, denn ihnen wurde das Sättigungszentrum im Gehirn weggezüchtet, sie fressen bis der Körper es nicht mehr verkraftet. Beine knicken weg, Bewegungen sind kaum noch möglich. Die Masthühner werden dann in Kisten in LKW gepfercht und nach zum Teil stundenlangen Fahrten und Wartezeiten schließlich im Akkord in Großschlachthöfen umgebracht. Die Tiere können sich aber nicht nur deshalb kaum bewegen, weil sie als Qualzucht kaum noch zu vernünftigen Bewegungen in der Lage sind, sie haben in den gigantischen Hallen schlicht keinen Platz, denn einem Tier steht nur ein „Platz“ von einer 2/3 Din A4 Seite als „Lebensraum“ zur Verfügung. Da die Hühner am Ende ihres kurzen Lebens gut 1,5 Kilogramm wiegen, bleibt auch nicht der geringste Platz für ein einzelnes Tier, sich zu bewegen. Und das, wie in Sprötze, beispielsweise auf einer Fläche von 1.600 Quadratmetern. Quälerei und Leid so weit das Auge reicht. Bei 37.000 Tieren wären pro fünf Wochen „Mastzeit“ bereits mehrere tausend Tiere allein an der Qual der Haltung gestorben.
Massentierhaltung und Agrarministerin Grotelüschen
Gegen die Anlage gab es bereits in der Vergangenheit Proteste - unter anderem von TierrechtlerInnen, die im Mai eine mehrtägige Mahnwache in Sprötze organisiert hatten. Der Bau der Anlage muss auch in Verbindung mit der in rund 100 km Entfernung entstehenden Schlachtfabrik in Wietze gesehen werden, in der in Zukunft 2,6 Millionen (!) Hühner pro Woche umgebracht werden sollen. Um eine möglichst rasche „Auslastung“ des Mega-Schlachthofs zu erreichen, wird davon gesprochen, dass mehr als 400 Mastanlagen in einem Umkreis von 100-150 km Entfernung zu Wietze entstehen sollen. Selbstverständlich subventioniert („Infrastruktur- und Arbeitsplatzbeschaffungsmaßnahme“), ebenso wie der Bau des Schlachthofs, dessen geplantes Gelände diesen Sommer rund 3 Monate von AktivistInnen besetzt worden war. Der Schlachthofbau wird vom Land Niedersachsen mit 5 Millionen Euro aus einem Strukturhilfefond gefördert.
In der ersten Ausbaustufe will der Betreiber, die Celler Land Frischgeflügel GmbH der Familie Rothkötter, 100 bis 150 Mastbetriebe unter Vertrag nehmen. Es ist wenig verwunderlich, dass in Niedersachsen eine Ministerin (Astrid Grotelüschen - CDU) für Landwirtschaft und Tierschutz zuständig ist, die vor ihrer Benennung zur Ministerin die Geschäftsführerin der Mastputen-Brüterei Ahlhorn war, und deren Ehemann den Betrieb jetzt alleine führt. Landwirtschaft, Tierschutz, Massentierhaltungsindustrie, alles in einer Hand, wie praktisch.
Demo mal anders
Nach dem Brandanschlag hatte der „Landvolk Niedersachsen - Landesbauernverband e.V.“ für den 01.08.2010 eine Demonstration in Solidarität für den betroffenen Bauern organisiert es handele sich um einen Anschlag auf die Landwirtschaft. An der Demonstration beteiligten sich nach Angaben des Verbandes rund 500 Personen, davon 300 Bauern. Vor den Trümmern der Anlage zu stehen, schnüre ihr, der Ministerin Grotelüschen, die Kehle zu. Seltsam, dass es ihr nicht die Kehle angesichts des von ihr geförderten Leidens und Sterbens von zig Millionen Tieren zuschnürt. Tieren, denen es bereits in der „Haltung“ Kehle und alles andere durch Platzmangel zuschnürt. Sie rief die Landwirte dazu auf, weiter auf die „Hähnchenmast“ zu setzen: „Es wäre furchtbar, wenn jetzt Landwirte davor zurückschrecken würden, neue Anlagen in Betrieb zu nehmen.“ So viel zur für den „Tierschutz“ zuständigen Ministerin.
Verurteilungen und überflüssige Distanziererei
Auch an Pressemitteilungen und öffentlichen Erklärungen verschiedener Interessengruppen mangelte es in den darauffolgenden Tagen nicht. Der Kreisausschuss des Landkreises Harburg verurteilte den Brandanschlag (als ob es Aufgabe eines Kreisausschusses wäre, sich bezüglich illegaler Aktionen zu positionieren), der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft e.V. ebenso („Tierschutz ist zentraler Aspekt in der deutschen Hähnchenhaltung“), gleichfalls die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - AbL. Ebenso aber auch die „Arbeitsgemeinschaft für artgerechte Nutztierhaltung e.V.“ (die stattdessen „Aufklärung der Bevölkerung“ als goldenen Weg beschreibt, als ob es daran liegt, dass die Bevölkerung nicht aufgeklärt ist) sowie „PAKT e.V. - Politischer Arbeitskreis konsequenter Tierschutz“ und die Bürgerinitiative „Lobby pro Tier“ aus dem nahe gelegenen Mienenbüttel.
Es geht auch anders
Die Tierschutzpartei - MUT hat die Aktion immerhin nicht öffentlich verurteilt, sondern ein gewisses Verständnis geäußert: „Die Partei Mensch Umwelt und Tierschutz wertet diesen Brandanschlag als ein klares Zeichen dafür, dass immer mehr konsequente Tier- und Umweltschützer in unserem Land die Hoffnung verloren haben, sich effektiv mit legalen, rechtsstaatlichen Mitteln gegen solche Unrechts- und Elendsprojekte wie dieser Mastanlage zu wehren! Sie werden in die Radikalität getrieben, weil ihre Bemühungen um Verbesserungen zum Schutz der Tiere und der Umwelt bei den politisch Verantwortlichen auf taube Ohren stoßen.“ Auch der tierbefreier e.V. hat eine Presseerklärung
herausgegeben, in der die Motivationen für direkte Aktionen gegen Tierausbeutungsbetriebe genannt werden. Unter der Überschrift „Brandanschlag auf leerstehende Hühnermastanlage in Sprötze verhindert Tierquälerei“ schrieben wir, nach Beschreibung der Zustände in solch einer Anlage, u.a.: „Tiere sind fühlende Lebewesen, sie verspüren Angst und Schmerz. Die Gewalt und das Leiden, das sie in diesen und anderen Tierausbeutungsbetrieben erfahren - bis hin zu ihrem Tod, ist so immens, dass es Menschen gibt, die es nicht bei Appellen belassen, sondern die zu Direkten Aktionen greifen, um dem entgegenzuwirken. Dabei werden unterschiedliche Aktionsformen angewandt, etwa Tiere befreit, Leiden verursachende Gegenstände zerstört, oder aber auch wirtschaftliche Sabotage durchgeführt, bei der Unternehmen getroffen werden, die ihr Geld durch Gewalt auf dem Rücken von gequälten Tieren »erwirtschaften«“.
Ermittlungsgruppe, Belohnung und die ALF
Während die Polizei am 02.08. eine Ermittlungsgruppe eingerichtet hat und am 05.08. eine Belohnung in Höhe von 21.000 Euro für Hinweise ausgelobt hat, „die zur Verurteilung des oder der Täter führen“ (zusammengesetzt aus jeweils 5.000 Euro durch die Polizeidirektion Lüneburg und das Niedersächsische Landvolk, Kreisverband Lüneburger Heide e.V., sowie 10.000 Euro durch den Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft e.V. und 1.000 Euro von anderer Seite), erhielten wir am 06.08. eine Mail, die mit ALF unterzeichnet war. Darin werden die Beweggründe für den Anschlag genannt, ohne dass allerdings explizit geschrieben wird, dass sie selber die Aktion durchgeführt haben oder dass Details zu der Aktionsdurchführung genannt werden. Da jedoch die Formulierung „die Aktion wurde durchgeführt, um direkt Leben zu retten“, gewählt wurde und es mit ALF unterschrieben wurde (ein Kürzel, das bekanntlich für Animal Liberation Front und Direkte Aktionen steht), haben wir es als Bekennerschreiben gewertet und eine zweite Pressemitteilung mit Zitaten aus dem Schreiben herausgegeben: „Nichtmenschliche Tiere werden als nutzbare Ressource angesehen und behandelt. Zum Beispiel in Zoos und Zirkussen, als Haustiere, als Pelztiere, Leder-, Fleisch-, Eier- und Milchlieferanten, Tierversuche, etc. Dabei werden ihnen jegliche Bedürfnisse, Gefühle, Wünsche und Schmerzempfindungen abgesprochen. Sie haben keine Chance, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten. Die Aktion wurde durchgeführt, um direkt Leben zu retten, da alle vorher argumentativ geführten Auseinandersetzungen gescheitert sind. Der psychische Druck und der finanzielle Schaden, der auf der_den Besitzer_in lastet, ist uns bewusst. Dies steht aber in keinem Verhältnis gegenüber den Qualen, die die Hähnchen dort erleiden müssten. Alle Versuche, die Mastanlage wieder aufzubauen, um Profit auf Kosten von Individuen zu machen werden wir zu verhindern wissen! Solange nichtmenschliche Tiere der Herrschaft der Menschen unterworfen sind, bleiben sämtliche Tierausbeutungsbetriebe Ziele solcher und ähnlicher Aktionen. Auch sollte diese Aktion zeigen, dass Tierausbeutung direkt angegangen werden kann.“
Polizeiermittlung
Am darauffolgenden Montag, 09.08., meldeten sich nicht nur Medien, sondern auch die Polizeiinspektion Harburg. Sie wollten wissen, ob das im Internet auf den Seiten des tierbefreier e.V. veröffentlichte Schreiben, das komplette Schreiben sei oder ob es noch unveröffentlichte Teile gebe, und, nicht weiter verwunderlich, sie wollten wissen, durch wen das Schreiben übermittelt wurde. Das veröffentliche Schreiben war der komplette Inhalt und mit letzterer Info konnten wir natürlich nicht dienen, zumal die Mail über einen anonymen Remailer kam, wir unsere Mails online checken und aus Platzgründen gelesene Mails auf dem Server löschen. Die Polizei selber wertet das Schreiben bisher lediglich als Sympathiebekundung und nicht als „echte“ Bekennung. Sie ermittelt nach eigenen Angaben weiter in alle Richtungen.
(ve)