„Stoppt den Terror gegen unsere Tierhalter!“
Die Landwirte schlagen zurück, Teil 1
„Sie kommen oft im Dunkeln. Und am Ende stehen nicht die Täter, sondern die Geschädigten am Pranger.“ So beschreibt das Agrarmagazin DLZ die Handlungen radikaler TierrechtlerInnen. Nicht nur das, die NutztierhalterInnen seien hilflos gegen die fragwürdigen Methoden der Szene. Was macht ein guter Landwirt in solchen Situationen? Er nimmt die Mistgabel in die Hand, doch dieses Mal ist es die virtuelle Mistgabel.
„Extremistische Tierschützer“, Teil 1
Damit also die guten Landwirte nicht ganz im Dunkeln tappen, versucht das Agrarmagazin DLZ nun über die AktivistInnen aufzuklären. So wird die Brandstiftung in Sprötze zur Hand genommen, um die Respektlosigkeit vor Andersdenkenden und deren Eigentum zu beweisen. Nicht nur das: Um die Hysterie noch zu verstärken, konstruiert das Magazin ein Feindbild von dunkel gekleideten und gefährlichen TierrechtlerInnen. Doch die Landwirte kennen die Strategie ihrer Feinde ganz genau: „Was die Medienarbeit von Tierrechtlern bezwecken soll, ist schnell geklärt. Es geht vor allem darum, umgehend einen Aufschrei in der Öffentlichkeit auszulösen. Je drastischer die Bilder, umso besser. Oftmals wird gleichzeitig mit der Veröffentlichung gegen die Betriebe, aus denen die Aufnahmen angeblich stammen, wegen vorgeblicher Verstöße gegen den Tierschutz Strafanzeige gestellt. Das erhöht die Brisanz für die Medien.“ Doch diese Beweise gegen das jeweilige Unternehmen seien natürlich an den Haaren herbeigezogen und „die Wahrheit bleibt auf der Strecke“. Die Macher dieser Initiative scheinen zu glauben, dass die Zustände in Deutschlands Ställen von den TierrechtlerInnen selbst inszeniert werden, anstatt die Wirklichkeit mit eigenen Augen zu sehen und endlich das Tierleid zu erkennen.
Der Gegenangriff
Um das Recht und die Würde der Landwirte zu vertreten, wollen die Tierhalter nun mithilfe einer Mailaktion gegen die AktivistInnen vorgehen:
1. Militante und gewalttätige Tierrechtler unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stellen, denn sie verstoßen offenkundig gegen verfassungsmäßig verbriefte Rechte anderer!
2. Entzug der Gemeinnützigkeit bei solchen Organisationen, die Sympathie und Unterstützung für militante Tierschützer bekunden oder selbst zu illegalen Aktionen aufrufen.
3. Durchsetzung des Rechtsgrundsatzes, dass illegal beschafftes Material vor Gericht nicht als Beweismittel zugelassen wird.
Obenstehende Forderungen, die bereits fast 2.000 Menschen unterzeichnet haben, sind an Bundesinnenminister de Maizière adressiert. Ob man über diese Tatsache lachen oder weinen soll, ist fraglich. Fakt jedoch ist, dass das Agrarmagazin DLZ selbst die Landwirte und LeserInnen durch seine maßlosen Übertreibungen, Unwahrheiten und einer verdrehten Realität betrügt. Wer sich selbst ein Bild machen möchte: www.stoppt-den-terror-gegen-unsere-tierhalter.de
Was soll diese Aktion bezwecken?
Es werden Konstrukte wie “Respekt vor Andersdenkenden”, “Eigentumsrechte”, “Meinungsfreiheit”, “Recht auf Unversehrtheit” und “Schutz der Würde” benutzt, um gegen Tierrechtsaktivismus zu argumentieren. Lobend werden die Repressionen gegen TierrechtlerInnen in Österreich, Schweiz und den USA genannt. (Zitat: “In den USA hat das FBI im vergangenen Jahr einen führenden Kopf der Tierrechtsbewegung auf die Liste der meist gesuchten Terroristen gesetzt.”)
Wollen die Initiatoren Repression gegen politisch Aktive verschärfen? Schauen wir uns die Forderungen genauer an, wird klar, dass hier die blanke Angst und/oder Unwissenheit um sich greift.
1) Die Forderung, gewalttätige Menschen zu verfolgen ist hinfällig, da sie bereits erfüllt ist. Im Gesetz steht nichts davon, dass es eine Rolle spielen würde, wodurch Straftaten motiviert sind. Ehrenwerte Motive können lediglich das Strafausmaß, nicht aber die Strafwürdigkeit selbst beeinflussen.
2) Der Status der Gemeinnützigkeit schließt selbstverständlich auch jetzt schon Anstiftung zu kriminellen Aktivitäten aus. Sympathiebekundungen sollten allerdings niemals rechtliche Relevanz besitzen. Das wäre nämlich Gedankenstrafrecht und würde die freie Meinungsäußerung unmöglich machen. Es mag moralisch oder ethisch fragwürdig sein, Aktionen gut zu heißen, die anderen Schaden zufügen - wenn wir das allerdings nicht zulassen, ist kein freier Austausch von Ideen möglich. In dieser Hinsicht müssen wir uns wohl darauf beschränken, eventuell falsch dargestellte Sachverhalte aufzuklären, um demokratische Pluralität als höheres Gut zu schützen. Falls eine Organisation Straftaten über bloße Meinungsäußerungen hinaus unterstützt, ist auch bereits jetzt Gemeinnützigkeit keine verfügbare Option. Wenn alle “illegalen” Aktivitäten zum Ausschlussgrund für Gemeinnützigkeit würden, würde dies auch Gewerkschaftsproteste wie Besetzungen für faire Gehälter oder menschenwürdige Arbeitsbedingungen betreffen. Allgemein würde so eine Regelung der deutschen Verfassung widersprechen, weil auch darin der Schutz höherer Rechtsgüter die Verletzung niedrigerer Rechtsgüter rechtfertigt. Es ist also vorgesehen, zum Beispiel einen Einbruch nicht zu bestrafen, wenn er begangen wurde, um Leben zu retten. Aus diesem Grund ist es möglich, dass zum Beispiel die Feuerwehr Türen aufbrechen kann ohne befürchten zu müssen, dafür verklagt zu werden.
3) Vor Gericht sollten keine unzulässig gewonnenen Beweise gewürdigt werden? Konsequenterweise würde das auch unrechtmäßig von Beamten gewonnene Ermittlungsergebnisse nutzlos machen was gut wäre. Dies würde Anreize zum Amtsmissbrauch auflösen. Wenn keine „unrechtmäßig“ gewonnenen Beweismittel vorgebracht werden dürfen, müssen allerdings überall zuverlässige, unabhängige Informationsmöglichkeiten also Transparenz geschaffen werden. Mit einem simplen Verbot, Tiernutzungsbetriebe zu betreten, ist es daher sicher nicht getan. Die jetzigen Kontrollmöglichkeiten reichen bei weitem nicht aus. Die AmtstierärztInnen sind oftmals nicht willens oder fähig, Betriebe neutral und vollständig zu kontrollieren. Und selbst wenn das heißt noch nicht, dass wenn die Minimalanforderungen eingehalten würden, es keinen Protest gegen die Tierausbeutung gemäß Gesetz gäbe.
Transparenz, Teil 1
Mit dem Gesetz zur Veröffentlichung von Informationen über die Zahlung von Mitteln aus den Europäischen Fonds für Landwirtschaft und Fischerei wurden EU-Vorschriften in Deutschland national umgesetzt. Auf der Seite www.agrar-fischerei-zahlungen.de konnte man seit Mitte Juni 2009 sehen, welche Betriebe und Personen Subventionen erhalten haben oftmals in Millionenhöhe. Die EmpfängerInnen mit den höchsten „Einnahmen“ waren Molkereien, Zuckerproduzenten und Tiermastbetriebe. Große Molkereien wie Nordmilch Omira 12,6 Millionen), die Bayerische Milchindustrie (10,8 Millionen) und Campina (2 Millionen) haben zusätzlich von Exportsubventionen profitiert. Doch die Öffentlichkeit und interessierte Tierrechtler-Innen tappten schnell wieder im Dunkeln am 9. November 2010 hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die Veröffentlichung von EU-Subventionsempfängern im Agrarbereich in der bisherigen Form nicht dem Gemeinschaftsrecht entspricht, insbesondere dem Datenschutz.
„Tierschutz liegt den Tiernutzern am Herzen“
Welcher Tiernutzer auch immer die Chance hat, diese Lüge zu verbreiten, tut dies. Auch auf der Seite www.stoppt-den-terror-gegen-unsere-tierhalter.de. So steht dort plakativ auf der Startseite: “Tiere zu schützen ist ein ureigenstes Anliegen jeden Landwirts, der mit Tieren arbeitet.“ und „Tiere halten heißt Tiere nützen und schützen“. Wie weit es damit her ist, belegen aktuelle Fälle aus Niedersachsen.
Was passiert mit den Tieren, wenn es brennt? Nach der niedersächsischen Bauordnung muss bei einem Brand die Rettung von Menschen und Tieren möglich sein. Um das zu gewährleisten, empfiehlt das Landwirtschaftsministerium in Hannover, eingezäunte Flächen oder Notunterkünfte für die Tiere bereit zu halten. Laut einem Bericht Ende September im Deutschlandfunk sind diese Einwände für den Landkreis Emsland neu. Dort wurden allein in diesem Jahr 46 Anträge für Geflügel- und 35 für Schweinemastanlagen genehmigt. 80 Prozent der Ställe hätten wohl nicht genehmigt werden dürfen.
Das Emsland ist lediglich ein Anfang. In ganz Deutschland ist plötzlich Unruhe ausgebrochen, weil das Thema Brandschutz zuvor schlichtweg ignoriert wurde. In einem Bericht der taz („Tiermast in Riesenställen vor dem Aus?“) von Anfang November nennt Wilhelm Hoffrogge, Vorsitzender des Niedersächsischen Geflügelwirtschaftsverbandes (NGW) dieses Thema auch eine „weltfremde Forderung“, sie sei „nicht umsetzbar“, eine Evakuierung der Tiere also nicht möglich. Hoffrogge warnt, „jede Tierhaltung“ sei bedroht. Tiere sind in Augen von Tiernutzern lediglich Produktionsmaschinen!
Tod vor der „Schlachtreife“ um die 30% sind in vielen Fällen einkalkuliert. In Statistiken ist auch kaum von Tierzahlen, sondern von Angaben in Tonnen die Rede. Und es ist allemal günstiger, großangelegte „Massenkeulungen“ durchzuziehen (wie jetzt 17.000 Enten und Gänse im Kreis Parchim in Mecklenburg-Vorpommern wegen für Menschen ungefährlicher „Vogelgrippe“), als „ordentlich“ zu schlachten oder gar medizinisch zu behandeln. Wenige Tage alte Ferkel werden ohne Betäubung und anschließende Schmerzlinderung aufgeschlitzt und die Hoden herausgerissen. Zugefügte Verkrüppelungen in Form von „Enthornungen“ bei Rindern, Abschneiden von Schwänzen und Ohren bei Schweinen, Schnabelabraspeln bei Hühnern etc. sind an der Tagesordnung der Tierfabriken. Eine vollständige Liste des landwirtschaftlichen „Tierschutzes“ würde die Güllegrube zum Überlaufen bringen.
Transparenz, Teil 2
Auch bedingt durch die neuen Medien setzt langsam aber sicher ein Umdenken ein: Bürgerinitiativen gegen Mast- und Schlachtbetriebe allerorts, Rücktrittsforderungen und massive Kritik an die Ex-Puten-Industrielle Astrid Grotelüschen (Niedersachsens Tierschutz-Ministerin), positive Resonanz auf Foers Buch „Tiere essen“ und Veganismus/Vegetarismus in allen großen Journalen... die armen LandwirtInnen!
Die Landwirte schlagen zurück, Teil 2
Und prompt jammert die Lobby: „Medien verunglimpfen landwirtschaftliche Tierhaltung“ meint Friedhelm Schneider, Präsident des hessischen Bauernverbandes. So würde die Tierhaltung z.B. im Fernsehen häufig bewusst reißerisch und verzerrt dargestellt und spiegele nicht die Realität wider. Die Bauern würden z.B. Kühe nicht als schiere Produktionsmittel, sondern als Mitarbeiterinnen verstehen.
Man stelle sich vor, eine junge Dame lässt sich einstellen und von ihrem Arbeitgeber zwangsschwängern das Kind vor dem ersten Stillen entreißen, schmerzende, entzündete Brustwarzen bleiben unbehandelt. Das alles gefesselt und zur Bewegungslosigkeit verdammt. Mit der 3. Schwangerschaft und Milchproduktion hat sie ihren Lukrativitätszenit erreicht und schon überschritten. Ihre Kräfte lassen nach. Schwangerschaft und gleichzeitige Laktation, Trockenstand, Geburt, während der Laktation erneute Besamung und Schwangerschaft. Eine solche Belastung hält niemand auf Dauer aus. So beginnt die „Leistung“ meist in der 4. Laktationsperiode abzunehmen. Und nach der 5. Laktation wird sie unökonomisch. So kommt die Dame, die den Stress von insgesamt 6 Schwangerschaften und Geburten, 5 Laktationsperioden mit 5 parallelen Schwangerschaften überlebt hat, nach ca. 7 Jahren erfolgreichen „Arbeitnehmertums“ ins Schlachthaus. Umgerechnet in Menschenjahren ist sie dann Anfang 20. Traumjob, oder?
„Wir sollten hier unser Licht nicht unter den Scheffel stellen und offensiv unsere Errungenschaften in punkto Tierschutz in die Öffentlichkeit tragen“, fordert Schneider daher. Es gebe nichts zu verbergen, ist auf topagrar.com zu lesen. Na also, warum dann also die Aufregung. Warum dann die Verbote, Videos aus entsprechenden „Veredelungsbetrieben“ (es wird Grünzeug zu tierischem Eiweiß veredelt) zu zeigen? Da ist es doch nur fair, Ross und Reiter zu nennen, damit die Öffentlichkeit sieht, wessen Betrieb „beworben“ wird?
„Extremistische Tierschützer“, Teil 2
Auf der Seite www.stoppt-den-terror-gegen-unsere-tierhalter.de wird ersichtlich, dass Tierrechtsbestrebungen so vermehrt auftreten, dass sich die Tiernutz-Lobby damit beschäftigt, oder besser gesagt gezwungen sieht, sich damit beschäftigen zu müssen. In der „Böse-Seiten-Rubrik“ sind nicht nur Gruppen wie Ärzte gegen Tierversuche und Tierrechtstermine, sondern selbstverständlich auch Free Animal und die tierbefreier aufgeführt. Letztere werden auch noch auf der Seite „Stoppt den Terror!“ beworben. Die Liste ist lang und es soll Tierrechtsinitiativen geben, die sich bei den Machern beschwert haben, dass sie nicht gelistet sind.
Bei so viel Gemeinheit den armen TiernutzerInnen gegenüber kommt „Hydra“ gerade recht: Hydra heißt das aktuelle Projekt der europäischen Polizeibehörde Europol, in dem europaweit Daten über mögliche „Extremisten“ gesammelt werden. In Hydra sollen nun auch die Daten des Projekts Dolphin einfließen, das „militante Tierschützer“ oder andere „radikale Personen“ erfasst.
Der Name ist gut gewählt: Hydra ist ein neunköpfiges schlangen-ähnliches Ungeheuer der griechischen Mythologie. Wenn es einen Kopf verliert, wachsen an dessen Stelle zwei neue. Sperrt 10 TierrechtlerInnen ein und seht euch mit tausenden konfrontiert. Da hilft es auch nichts, dass die Versammlungsgesetze mehr und mehr verschärft werden. Spätestens nach den jüngsten Castor-Transport-Demos und der Contra-Stuttgart21-Bewegung wird klar, dass mündige BürgerInnen sich nicht mundtot machen lassen und sich für das, was sie schützen wollen, einsetzen. Erfolge wie komplette Pelzfreiheit bei ESCADA geben Tierrechtler-Innen und TierbefreierInnen die Kraft, weiterzumachen.
Helena Lauinger und Viola Kaesmacher